PD Dr. Hilde Farthofer
Bild: Astrid Hübner

PD Dr. Hilde Farthofer

Habilitationspreis der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Staatsschutzstrafrecht in postfaschistischen Staaten – das Beispiel Deutschland, im Vergleich zu Italien und Österreich

(veröffentlicht unter dem Titel „Neuausrichtung des Staatsschutzstrafrechts nach 1945? Die Beispiele Bundesrepublik Deutschland, Italien und Österreich“)


In keinem Bereich spiegeln sich Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung offensichtlicher wider als im Strafrecht und Strafverfahrensrecht. Die Ausprägung des Staatsschutzstrafrechts hängt vom jeweiligen herrschenden politischen System ab, wobei es in einer Demokratie nur sehr eingeschränkt vorgesehen und angewendet werden sollte. Der Wunsch, intensive Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen, ist gerade beim Staatsschutzstrafrecht sehr ausgeprägt.

Hilde Farthofer vergleicht in ihrer Habilitation das Staatsschutzstrafrecht, d.h. die Vorschriften für Hoch- und Landesverrat, nach 1945 bzw. 1943 in der Bundesrepublik Deutschland, Italien und Österreich. Ein Ansatz der Auseinandersetzung beschäftigt sich mit dem Werdegang der Personen, die in den Justizministerien für die Wiederverlautbarung bzw. Neuschaffung des Staatsschutzstrafrechts zuständig waren. Ein ebenso wichtiger Teil der Arbeit setzt sich mit der staatsschutzstrafrechtlichen Rechtsprechung auseinander. Jedes dieser drei Länder musste einen Weg aus der Diktatur hin zu einem demokratischen Staat finden und gleichzeitig die immensen Schwierigkeiten der Nachkriegsjahre lösen. Hierbei werden Gemeinsamkeiten aber auch gravierende Divergenzen deutlich.

Der Deutsche Bundestag verabschiedete 1951 das Erste Strafrechtsänderungsgesetz. Die Ausformung des Gesetzes wurde durch die Koreakrise und die aufkommenden Probleme mit der sowjetbesetzten Zone beeinflusst. Nötig wurde die Neufassung des Staatsschutzstrafrechts durch die Abschaffung aller Hoch- und Landesverratsbestimmungen durch die alliierten Kontrollratsgesetze.

Die Regierung Badoglio, Nachfolger des abgesetzten Mussolini in Italien, setzte sich fast ausschließlich aus den gleichen Mitgliedern zusammen. Eine radikale Änderung bzw. Erneuerung wurde damit ausgeschlossen. Dies betraf auch die Reformen des Straf- und Strafverfahrensrechts 1930 unter Alfredo Roccò. Ein Abgehen vom Staatsschutzstrafrecht wurde nur kurz in Erwägung gezogen und dann abgelehnt. Es handle sich um ein juristisch-theoretisches Gesetzeswerk und würde keine faschistischen Züge enthalten.

Österreich ließ kurz nach Ausrufung der Zweiten Republik das Straf- und Strafverfahrensrecht aus der Zeit vor dem Anschluss im März 1938 wieder aufleben. Damit konnte zwar wirksam der Einwendung nullum crimen, nulla poena sine lege entgegengetreten werden, es barg jedoch aufgrund der gesetzlichen Änderungen, die durch die vaterländische Regierung Dollfuß erlassen worden waren etliche Schwierigkeiten.

Die gegen die Verortung des Staatsschutzes im Strafrecht vorgebrachten Kritikpunkte treten in allen drei Ländern deutlich hervor. Jeder Staat, dessen Existenz bedroht wird, kann und muss sich zur Wehr setzen, jedoch muss die Vorfeldstrafbarkeit auf das Nötigste eingeschränkt werden.

Hilde Farthofer und Joachim Hornegger
Bild: Giulia Iannicelli/FAU

Vita


Hilde Farthofer ist im Wintersemester 2019/2020 TEA-Gastprofessorin an der Universität Tübingen. Im Sommersemester 2019 war sie als Lehrstuhlvertreterin für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität München tätig. Sie wurde im Januar 2019 an der FAU in den Fächern Deutsches und Internationales Strafrecht und Strafverfahrensrecht, Strafrechtsvergleich und Juristische Zeitgeschichte habilitiert. Sie promovierte an der Universität Salzburg in Österreich in Strafrecht und Strafverfahrensrecht und Rechtssoziologie. Ihre Dissertation setzt sich mit Organisierter Kriminalität und Menschenhandel in Italien und Österreich auseinander.