PD Dr. Benedikt Forschner

Habilitationspreis der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Vertretung und Wille. Studien zur Entstehung eines „juristischen Wunders“


Der Rechtshistoriker Ernst Rabel sieht die direkte Stellvertretung, die Vertretung einer Person durch eine andere in ihrem Willen, als ein „juristisches Wunder“. Die Entdeckung dieses Wunders soll eine besondere Rationalität in Form eines Abstraktionsvermögens voraussetzen; und es scheint bis heute allgemeine Auffassung zu sein, dass erst die Vorstellung der Privatautonomie durch die Naturrechtsschule dem modernen Stellvertretungsdenken den Boden bereitete.

Den mittelalterlichen Legisten wird dabei eine eher zurückhaltende Bedeutung beigemessen. Zwar wird nicht ignoriert, dass sich in ihren Schriften vereinzelte Absetzbewegungen von den römischen Quellen – die eine direkte Stellvertretung nicht zuließen – in Form von Ausnahmen finden; im Wesentlichen aber erfahren ihre „konservative Einstellung“ und die Gefolgschaft mit der römischrechtlichen Überlieferung Betonung. Die über die Oberfläche des legistischen Wortlauts hinausgehenden Diskurse des 11. bis 14. Jahrhunderts, durch welche sich die rechtliche und philosophisch-theologische Welt mal miteinander, mal gegeneinander, mal stärker und mal schwächer intellektuell umklammert findet, verblassen in dieser Vorstellung.

Die Habilitationsschrift untersucht exemplarisch Argumentationen und Begriffsverwendungen, mit denen die Legisten sich (noch) in bestehenden römischrechtlichen Argumentationsstrukturen bewegen, die zugleich aber geeignet sind, diese Argumentationsstrukturen im Kern zu konterkarieren. Dafür nimmt die Habilitationsschrift die philosophisch-theologischen und politischen Diskurse in den Blick, die sich hinter den legistischen Diskursen verbergen. Die entsprechenden Spuren in den Schriften der Legisten sind vereinzelt und verharren nicht selten auf der Ebene von Andeutungen; sie verlangen Blicke in die Biographien ihrer Akteure, in ihre politisch-religiösen Vorbildungen und Positionierungen, und allgemein in das „intellektuelle Wissen“ ihrer Zunft.

Erst vor diesem Hintergrund erschließt sich das radikal Neue des Denkens, mit dem sich die Legisten ab dem 11. Jahrhundert konfrontiert sahen und welches sie in den von ihnen behandelten römischen Quellen nicht reflektiert finden konnten. Anerkannt ist, dass theologische Vertretungsdiskurse hierbei eine wesentliche Rolle spielten. Dieser Einfluss wird dabei typischerweise mit Blick auf amtsbezogene Repräsentationsprozesse beleuchtet, d.h. unter der objektiven Perspektive einer Verleihung von Machtbefugnissen, die durch die wachsende Kirchenorganisation ganz erhebliche praktische Bedeutung erfuhr. Ursprünglicher als durch die (praktisch bedingte) Verleihung von Amtsbefugnissen ist das christliche Vertretungsbild freilich geprägt von der Vorstellung des Handelns für einen anderen in Form eines intellektualistisch begründeten, substanzhaften Eins-Werdens von Vertreter und Vertretenem. Dieses (von vielfältigen Einflüssen geprägte und im Einzelnen äußerst inhomogene) Bild ist wesentliches Element einer neuen Vorstellungswelt, mit der sich die Legisten konfrontiert sahen und in der sie wirkten, und die sie – so die These der Habilitationsschrift – auf den Kern dessen verwies, was sie in den Schriften des klassischen römischen Rechts nicht finden konnten: Die Konstruktion direkter Vertretung als ein subjektiver Prozess des Zusammenspiels individueller Willen.

 

Preisträger PD Dr.Benedikt Forschner mit FAU Präsident Prof. Hornegger und Vizepräsidentin Outreach Prof. Kathrin Möslein; Foto: FAU/Iannicelli

 

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